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Buchstaben im Kopf

zum Wettbewerb

Sarah Mühling

Du hast aber Ja gesagt

30. Juni 2024
29-40 Jahre

Ich mag das Ja. Ich sage gerne Ja.

Ein Ja ist optimistisch, lebensbejahend, Hoffnung schenkend und Freude bringend. Ja! Oft. Bei „Ja, wir schaffen das.“ Ist das so. Und bei „Ja, wir halten zusammen.“ Ja, zum Leben und Lieben und Lachen.

Aber getreu dem Motto, wer A sagt muss auch B sagen, ist das kleine winzige Wörtchen Ja, auch ein Ja zum Durcheinander, geradezu zum Chaos, Ja, zum Weltuntergang!

Ich übertreibe? Ja, natürlich!

Mein Sohn hatte mich gefragt: „Können wir eine Wasserschlacht im Garten machen?“

Ich hatte NICHT bloß Ja gesagt. Ich hatte nach einem Blick in den nassen Garten gesagt: „Ja, wir können das machen, gesetzt den Fall, dass es morgen nicht stürmt, regnet oder gewittert, wir alle gesund und am Leben sind und die Welt noch existiert.

Schließlich habe ich gelernt. Aus diversen Situationen, in denen ich genau diese Fälle NICHT ausgeschlossen hatte und Kind mir später zum Vorwurf machte, du hast aber NICHT gesagt, dass wir gesund sein müssen, um draußen nackig im Garten herumzurennen.

Aber ich habe mit meinem alle Eventualitäten ausschließenden Ja-Satz, die Aufmerksamkeitsspanne meines Sohnes leider heute mit 5 Sekunden sehr optimistisch  eingeschätzt. Heute lag sie bei 0,25 Sekunden. Und deshalb verstand er: „Ja.“

Was ICH daran nicht verstand? Wieso er schon VOR meiner Antwort fertig in Badehosen in der Türschwelle stand…

Naja, er war ja immerhin diesmal nicht krank. Dachte ich, während mein Sohn draußen längst im Starkregen durch den Garten jagte. Doch hatte ich das merkwürdige Gefühl, etwas übersehen zu haben.

Über Nacht lag ich wach und dachte nach. Sagte ich möglicherweise zu häufig „Ja.“? Und verstanden meine Kinder möglicherweise immer nur das, was sie verstehen wollten? Ich sollte mir mehr Zeit zum Antworten lassen. Ich sollte die Macht des Jas ein wenig abschwächen.

Und dann fing sie so richtig an, die neue Dimension des Ja-Chaos.

„Darf ich noch ein Eis?“

„Ich werde darüber nachdenken.“ Ich fühlte mich gut. Das war die richtige Taktik. Sogleich würden meine Kinder ihre Frage vergessen haben. Ha, ich war gut!

Zwei Sekunden später: „Denkst du noch nach?“

„Jaha“, stöhnte ich.

„Mama hat Ja gesagt“, rief mein Sohn seiner kleinen Schwester zu und sie stürmten zur Eistruhe.

Ok, neue Taktik. Wenn einem die Worte im Munde herumgedreht werden, dann gibt es eben kein Ja mehr. Das Wort wird nicht mehr über meine Lippen kommen. So, Schluss, aus, basta!

Mein großer Sohn ließ sich blicken. „Bekomme ich noch eine halbe Stunde Handyzeit?“

„Du hattest schon genug.“ „Bitte, ich muss noch was nachgucken.“ „Guck in ein Buch.“

Er ging.

Er kam wieder. „Ich muss aber erst eins bestellen.“

Ich gab ihm das Handy. Und das ganze ohne Ja. Irgendwas klappte hier nicht. Sollte ich am besten gar nichts mehr sagen?

Meine Tochter hatte die Szene beobachtet. „Ich will auch Bildschirm.“ Ich zuckte dezent mit den Schultern.

„Ach, du meinst vielleicht? Ich darf vielleicht Fernsehen?“ Ich schloss kurz die Augen und öffnete sie wieder

„Einmal zwinkern heißt in einer Minute?“ Ich schüttelte den Kopf und zeigte wild gestikulierend nach draußen Richtung Terrasse. Richtung Sonnenschein.

Sie fragte: „Hä?“

Ich ging frustriert zur Toilette und schloss die Tür.

Hier hörten sie mich nicht. Hier sahen sie mich nicht.  Das war meine Chance.

Die geschlossene Tür blieb stumm.  Niemand kam und fragte mich etwas. Hurra! Ich stieß einen erleichterten Seufzer aus. Ein Fehler.

Ich hörte wie sich schnelle Schritte entfernten. Ein Kichern. Ein Rumpeln und Scheppern. Ein Schleifgeräusch. Ich hörte durch die geschlossene Klotür wie meine Tochter mit meinen Söhnen diskutierte und schließlich rief: „Doch ich darf! Mama hat Ja geseufzt.“

Ich ahnte Übles. Ich stürmte nach draußen und stolperte über ein Verlängerungskabel Richtung Terrasse.

Vielleicht. Aber nur vielleicht, sollte ich dem wunderbaren, Erleichterung bringenden, Welt rettenden, unmissverständlichen Wörtchen Nein eine Chance geben. Ab jetzt.